Liebes Archiv … Einträge vom Juli 2006

Muß jeder selber wissen.

    
ob et ihm acht Teuro wert is, den dicken Fußball zu erklimmen um Berlin von ohm zu sehn. Früher hatz irjendwie mehr jeprickelt, da konnte man üba de Maua kieken. De Sonne verschwint unspektakulär hinter Spandau, wejen de blöde Reflexionen uffe Fensterscheibn is keen jutet Foto vonne nächtliche Stadt zu schießen, echt knorke. Det Essen wird keen Michelöng-Stern bekommen. Reservierung int Telekaffe is trotzdem anjeraten, will ma sich nich anne Treppe zum selbijen fuffzehn Jahre zurückversetzt fühlen. Een letzter Blick. Abwärts wieder in vierzich Sekunden. Keena kotzt. Bravo.

[] Berlin / Montach, 31. Juli 2006

Vom Reste-Essen und anderen Reisevorbereitungen.

Ich glaub' es geht schon wieder los! Ich renne von einem Zimmer ins selbe und weiß tagelang nicht, wo ich anfangen soll mit dem Packen. Es ist wie ein Ritual, anscheinend der mentale Teil der Vorbereitung auf eine längere Abwesenheit von der Basis, dem Namen nach aber Urlaub. Je näher der Abreisetag rückt und streng mit dem erhobenen Zeigefinger droht, desto umfangreicher, aber auch koordinierter wird die Wühlerei. Klamotten, die ich monatelang nicht angefaßt habe, kommen wieder zu Ehren, werden aus dem Schrank gezerrt, begutachtet, anprobiert, na, besonders die Damen werden wissen wie sowas abläuft, ich kenne das Voller-Kleiderschrank-Syndrom und kämpfe dagegen an, alles einzupacken, was ich eventuell in Erwägung ziehen würde anzuziehen, und so stehe ich am Ende wieder vor dem halbleeren Koffer und muß noch was finden um ihn auszustopfen, damit nicht alles in der Gegend rumfliegt.
Zur geistigen Abwechslung verzweifle ich am Zustand der Wohnung, die ja auch versiegelt werden will. Jetzt sowenig dreckig machen wie geht. Die großen Laken hervorholen und die Möbel abdecken, das Übliche. Die Reste aus dem sparsam bestückten Kühlschrank verzehren und nur das Allernötigste dazukaufen. Letzte Wäsche machen und hoffen, am Zielort nimmt mir jemand das Bügeln ab. Allen Leuten mein aktuelles Reiseziel verkünden und in große Augen blicken, damit auch mich selbst davon überzeugen.
Und wer nicht zu den Auserwählten zählt, dem will ich die Vorfreude auf Berichte von einem interessanten Erdflecken nicht verderben.

[] Berlin / Sonntach, 30. Juli 2006

Da sind se wieder.

    
Zuerst waren sie nackig und einzeln in der Welt umhergeschickt worden, anno zweitausendzwei fanden sie sich neben dem Brandenburger Tor wieder zusammen und starrten sich gegenseitig sehr erstaunt an ob der farblichen Veränderung des anderen. Fast hätten sie sich nicht erkannt und zerfleischt, aber rechtzeitig erinnerte sich jeder seiner Mission: Hände hoch! Und lächeln. Dann mußten sie plötzlich einer riesigen Fundamentplatte ausweichen und flüchteten erschreckt um die ganze Welt, trauten sich aber im Jahr zweitausendsechs wieder nach Berlin, wo sie sich an anderer Stelle im Kreis formierten und erneut gemeinsam in die Berliner Luft brummten.

[] Berlin / Donnerstach, 27. Juli 2006

Kleinvieh macht auch nur Mist.

    
Alles was man nicht sehen kann, passiert auch nicht, so die allzu menschliche Einstellung, aber jetzt hab ich eine noch schärfere Augenverlängerung, die ziemlich paparazzo-esk festhält, was dieses kleine Wuselviech so treibt, wenn keiner hinguckt. So passiert dann nämlich doch was.

[] auch in Carwitz / Sonntach, 23. Juli 2006

Selber-rudern.de

Drei kleine Wirbel lösen sich von dem gelben Ruder, schlürfen davon im klaren Wasser, den anderen hinterher. Die Tropfen, die vom Ruder abperlen, da ich es rhythmisch hebe, machen Kreise, bis es wieder eintaucht und alles von vorn losgeht. Ungewohnt, eigene Muskelarbeit aufzubringen, um das Boot voranzutreiben. Die Ruder knarren. Junge Bleßhühner folgen schnatternd dem Boot, nicht die Mama! Aber sie scheinen aufs Betteln trainiert zu sein, geil auf Brot? Wir geben nix. Ich spring rein ins Naß und zieh ein paar Bahnen in der Mitte des Sees. Mein weißes Fleisch leuchtet im klaren Wasser.

[] Carwitz / Sonntach, 23. Juli 2006

Falladas Ruheplatz.

    
Hier liegt Falladas Asche, wenn er nicht zu Staub geworden wäre, könnte er auf den Schmalen Luzin sehen von hier oben. All die Seen der Feldberger Seenlandschaft sind klar und tief und nicht mehr sehr kalt in diesem Sommer, aber immer noch erfrischend.

[] Carwitz / Sonntach, 23. Juli 2006

Auf der Suche nach dem perfekten Foto.

   
Auf dem Weg zu einem guten Foto spielt leider nicht die Qualität der Kamera die entscheidende Rolle, nein, das wäre zu einfach. Und deswegen sollte die Titelseite manchmal einfach leer bleiben.

[] Berlin / Freitach, 21. Juli 2006

Dabblinn, mei Dabblinn.

Zu schnell hat das Flugzeug mich aus deinen Armen gerissen, so plötzlich und mitten in der Nacht, ich war noch garnicht fertig mit dir. Ich hatte meine Lebensgeschwindigkeit noch nicht deiner angepaßt, dich noch nicht in mich aufgenommen, war abgelenkt, langes Jetlag von Berlin, Kontinentaleuropa, andere Welt, weißt schon. Dein Metronom tickt seinen eigenen Takt, tick-tack, tick-tack, da ist noch Platz für Leben in deinem lebendigen Pulsieren, für ein Guinness zwischendurch. In dir ist ein Gewühl und Gewimmel, Rucksack und rollende Koffer, Gaffer und Fotografen, ein Babel der Sprachen der Welt. Streiks jeden Tag, am Flughafen, bei den Taxifahrern. Und alle paar Meter eine Kneipe, dazwischen ein Hotel. Die Kneipen sind voll, die Hotels auch.
Ich steh in der Temple Bar und schlürf mein letztes Guinness. Deprimierende Schnulzen von der Live-Band. Ich komme nie wieder. Vielleicht. Die Welt ist so groß, wie könnte ich denn hier wieder herfinden?! Und doch, hier sollte man gewesen sein, auch zweimal. Manchmal schmerzt es mehr, gehen zu müssen, mal weniger. Hier eben etwas mehr. Prost.

[] Berlin / Freitach, 21. Juli 2006

Durch alle Betten.

Den dicken Schweißtropfen fühle ich plötzlich meinen Bauch herunterlaufen, als ich zum x-ten Mal wach bin. Die Blase drückt und ich liege die vierte Nacht hintereinander in einem leckgeschlagenen Wasserbett - so könnte es sich anfühlen. Aber nein, es ist mein ureigener Schweiß und ich komme nicht nach, die Flüssigkeit aufzufüllen. Ich habe die Chance, einfach in das andere Bett zu wechseln, noch sauber und trocken, in der Hoffnung, jetzt ist es vorbei, denn ich kann einfach keine Verbindung herstellen mit meinen geschwollenen Mandeln - muß ich wegen zugesetztem Virenfilter jede Nacht kompletten Ölwechsel machen?! So langsam geht's an die Substanz. Das Schlimmste ist: das Guinness schmeckt nicht mehr - was ist Dublin ohne Guinness?? Zum Überfluß - natürlich wollte ich mich nicht geschlagen geben - wanderte ich den gestrigen Nachmittag in der ungewöhnlich ausdauernden irischen Sonne am Strand entlang von Sutton nach Howth und Howth's Summit. Und schmerzhaft wird mir bewußt, wie ausufernde Geheimratsecken und sommerlich kurzes Haar den Sonnenschutz behindern.
     
Heute hab ich mich soweit möglich aus der Sonne gehalten, in Stephen's Green, dem großen Park in der südlichen Innenstadt, und der Einkaufsmeile nebenan in der Grafton Street Fußgängerzone. Und morgen schmeckt das Guinness wieder.

[] Dublin / für Sonntach, 16. Juli 2006

Baily Leuchtturm.

    
Howth streckt die Zunge in die Irische See, keine Ahnung wie die nun noch heißt, aber darauf steht der Baily Leuchtturm. Man kann dahin mit Auto oder Bus kommen, oder man läuft von Howth die gemächliche Steigung hinan an den gut plazierten Hausanlagen vorbei zum Howth Summit. Dort kann man im allgegenwärtigen Spar-Markt ein Wasser kaufen, oder sich auf der Terasse des einzig sichtbaren Gasthofes erfrischen. Vom Parkplatz des Aussichtspunktes aus gehen steinige Pfade abwärts zum Leuchtturm, Menschen aller Nationen sind unterwegs. Der Zutritt ist leider untersagt.

[] Dublin / für Samstach, 15. Juli 2006

Howth.

    
Dublin streckt die Zunge in die Irische See, sie heißt Howth. Keine Ahnung was Reiseführer über die Ecke sagen, schließlich bin ich weitgehend unvorbereitet und schlecht ausgestattet hier, es sollte ja nur ein paar Tage dauern, wie immer. Das gleichnamige Dorf - Howth - hat eine Marina und einen Fischereihafen und im bunten Hafenwasser schwimmen sogar Robben! Erstklassiger Platz für einen Abendspaziergang, erst nach zehn wird es dunkel.

[] Dublin / Freitach, 14. Juli 2006

Wenn die Säufersonne am Zenit steht.

Wenn die Kneipen das böse Licht anmachen und die Türsteher die armen Menschen rausfegen, die gerade in wichtige Gespräche mit ihren alten oder neuen Freunden oder ihren Biergläsern vertieft sind, dann ist der erste Nachtbus schon weg. Jetzt geht's in die Clubs, wenn man glaubhaft beweisen kann, einundzwanzig Lenze zu zählen und irgendwas Besonderes oder wenigstens Passendes an sich zu haben, sonst: No way Jose! Aber da gibt es noch andere Schuppen, wo die Auswahl nicht so streng ist, wenn die dann zu machen, ist es eh Zeit, eine bessere Beschäftigung zu finden.

[] Dublin / Mittwoch, 12. Juli 2006

Party on!

Mit dem Pint dunklen Guinness in der Hand, dessen sahniger Schaum sich eben noch über dem Glasrand aufgebäumt hat, schauen wir uns um in der zu abendlicher Stunde gut besuchten Bar. Die Mischung stimmt, die Stimmung ist locker, die Schuhe kleben am Boden, es riecht nach schlampig geputzter Theke und dickem Schweiß, aber irgendwas fehlt. Mir dämmert es endlich, als ich aus den menschlichen Trauben vor dem Eingang die Rauchwolken aufsteigen sehe: Aussätzige! Unglaublich, das Rauchverbot funktioniert!
Meine dunkle Erinnerung an das undurchsichtige Bier der Iren war die von pelziger Zunge und schwerem Kopf, doch nichts davon ist zu spüren, wertvoll wie ein kleines Steak! Nur an viereinhalb Euro aufwärts, die für das Glas an der Theke kleben bleiben, muß ich mich gewöhnen. Dublin, das Partymekka, ist ein Eurograb erster Kajüte. Und das gilt nicht nur bei Getränken, wer was Gutes will, frißt sich arm.
Um halb zwölf jagen die letzten regulären Doppeldecker in die Nacht, es gilt sich zu entscheiden. Zwanzig Minuten dauert die Fahrt in unser Hotel, das in Hörweite des Flughafens und im saftigen Grün liegt. Wie lange können wir das durchhalten?!

[] Dublin / Dienstach, 11. Juli 2006

Der Fußballolymp ist italienisch.

       
Ist ein ehrliches 3:1 zum dritten Sieger nicht solider als ein schäbiger Elfmeter-Erster? Sie wollten einfach nicht aufhören, die Balljungen, in der Verlängerung hatten die abwechselnd für Frankreich (Allez les bleus) und Italien (Forza Italia) skandierenden Zuschauer im dunstigen Farringtons of Temple Bar schon die Geduld verloren und die Reihen waren weidlich gelichtet. Die Raucher wollten frische Luft schnappen, deren Nervenseile (genau wie die Zidanes) waren der Länge des Spiels nicht gewachsen. Und sowieso, mir als Laien ist der Zuschauervorteil des Elfmeterschießens nicht klar, und daraufhin werden die Spielregeln doch angeblich immer wieder optimiert?! Jedenfalls war die Parade der Italiener bei weitem nicht so überwältigend wie die der Franken, aber schlafen gehen wollten sie nicht. Doch irgendwann machen auch die letzten Nachtclubs zu und beim ersten Sonnenschein liegt die Feiermeile still und verlassen.

[] Dublin / Montach, 10. Juli 2006

Donabate Beach.

    
Das Wetter ändert sich hier schneller als man Guinness sagen kann, morgens strahlender Sonnenschein und wenn der normale Mensch sich aus dem Bette schält, kriechen die Wolken herbei, später am Nachmittag dann reißen sie wieder etwas auf und abends ist es wieder nahezu wolkenlos. Das Ganze variiert natürlich täglich, stündlich und minütlich. Ich laufe aber im kurzen Hemd rum, kalt ist es nicht, der Golfstrom macht's möglich.

[] Dublin / Sonntach, 09. Juli 2006

Linksverkehr und wilde Franken.

    
Ich bin ja kein kleiner Dummer, das Fahren auf der falschen Straßenseite mit der Fensterkurbel zum Schalten macht mir nichts aus und ich hab mich schnell eingefunden, warum sie aber nicht gleich ihre ganze Welt spiegelbildlich aufgezogen haben, das würde die Sache vereinfachen. Und die Araber und Juden schreiben von rechts nach links, fahren aber auf der richtigen Straßenseite! Naja, die Welt ist eben ein Irrenhaus und da wo man sich befindet, ist jeweils die Zentrale. Dutzende Trikolore schwenkende Franzosen walzten gestern nacht, Marseillaise johlend, durch den Temple Bar, ungeachtet unserer deutschen Befindlichkeiten. Jetzt ist es auch scheißegal, wer diese goldenen Murmel abfaßt, wir sind es nicht, wir, die Deutschen. Da geben wir unser Land, unseren Tiergarten zum Pinkeln, unsere Stadien zum Randalieren und unseren Rasen zum Zertrampeln her, und gewisse Leute besitzen nicht die Pietät, uns das eherne Motto Zu Gast bei Freunden zu vergelten. Sei's drum.

[] Dublin / Donnerstach, 06. Juli 2006

Schwerwiegende Mittagspause.

    
Die Speisekarte strotzt vor Schwergewichten, nach deren Genuß man eigentlich einen Mittagsschlaf bräuchte. Nach dem Burger gestern nehme ich heute Tandoori Chicken Skewers, was marinierter Hühnchenspieß ist. Dazu ein Guinness. Das paßt. Das Wetter ist angenehm. Morgens muß ich bei Coldwinters abbiegen, wo der Weihnachtsladen um Kunden wirbt. Cul de sac ist wohl nicht gälisch.

[] Dublin / Mittwoch, 05. Juli 2006

...und hier geht's weiter in die Vergangenheit.